EU gibt Pharmaindustrie neue Rahmengesetzgebung
Ein langjähriges Verfahren der EU-Gesetzgebung fand am 26. April einen vorläufigen Höhepunkt mit der offiziellen Bekanntmachung des neuen EU "Pharma-Rechtsrahmens" (Pharma Package). Dabei geht es um Beschleunigung der Verfahren auf Behördenseite, Reduktion der parallelen Begutachtungsläufe und weitere Prozessoptimierungsschritte, aber auch um eine kürzere Laufzeit des Schutzes der eingereichten Antragsunterlagen. Die Industrieverbände reagieren alarmiert.
Die Reform des EU-Pharmarechts sieht die EU-Kommission als einen Schritt zur „Innovationsförderung für eine wettbewerbsfähige Pharmaindustrie“. Dabei sollen ein geringerer Verwaltungsaufwand und damit schnellere Zulassungsprozesse von innovativen Arzneimitteln den europäischen Raum auf Weltniveau heben.
Einfachere Verfahren und geringere Kosten seien nun dank elektronischer Einreichung von Anträgen und
elektronischer Produktinformation möglich, so die Kommission. Zudem soll es regulatorische „Testräume“ (Sandboxes) geben, um bei ganz neuen und innovativen Therapien flexibel und agil eventuell nötige Anpassungen zeitnah ausprobieren zu können. „Es ist eine Reform, die sicherstellt, dass Europa für Unternehmen attraktiv bleibt und unsere Pharmaindustrie ein globales Innovationszentrum ist. Die Schaffung eines Binnenmarktes für Arzneimittel ist sowohl für unsere Bürger als auch für unsere Unternehmen eine Notwendigkeit“, sagte Stella Kyriakides (auf dem Foto rechts), Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, bei der Präsentation der neuen Rechtsvorschriften.
Mit der neuen Gesetzgebung will die EU größere Klarheit schaffen beim Zusammenspiel von EU-Vorschriften für Arzneimittel mit anderen Gesundheitstechnologien (zum Beispiel Medizinprodukte, Substanzen menschlichen Ursprungs wie Zell- und Gentherapien, ATMP).
Ganz konkret soll die schnellere Zulassung von Anträgen dank umfassenderer wissenschaftlicher Zusammenarbeit vor der Zulassung zwischen der EMA und den Entwicklern von Arzneimitteln und fortlaufenden Überprüfungen der eingehenden Daten gelingen. So soll die Prüfungszeit von Anträgen von derzeit rund 400 Tagen auf dann nur noch 180 Tage deutlich reduziert werden, was dem Zeitrahmen der FDA entsprechen würde. Zulassungen in Indikationen, die einen ungedeckten Bedarf decken oder eine wichtige therapeutische Innovation darstellen, sollen vorrangig und mit intensiver Begleitung behandelt werden. Eine Erleichterung dürften die Abschaffung der Zulassungserneuerung sein sowie die gestrafften Zulassungsverfahren für Generika und Biosimilar-Arzneimittel.
Doch auch der Pharmaindustrie wird etwas aufgebürdet. Einerseits wird diese verpflichtet Zulassungsanträge für alle EU-Länder vorzunehmen und keine Rosinenpickerei mehr zu betreiben. Zudem wird auch der interne Wettbewerb der Pharmafirmen untereinander dadurch angestachelt, dass der Unterlagenschutz (also aller Daten, die für einen Zulassungsantrag eingereicht worden sind) von bisher acht auf zukünftig sechs Jahre reduziert werden soll.
Gerade der letzte Punkt hat bei den deutschen Pharmaverbänden vfa und BPI für mahnende Reaktionen gesorgt, dass damit die Innovationskraft nicht gestärkt, sondern eher geschwächt werden würde. Insgesamt sende die EU mit diesen Vorschlägen kein Signal der Aufbruchstimmung und verpasse diese Chance, so die Verbände. Bis dieser Gesetzesrahmen wirklich final ist, vergeht nun noch einige Zeit in der parlamentarischen Debatte. Das Signal eines entbürokratisierten Zulassungsweges, der auf einen Schlag Zugang zu allen EU-Ländern vermittelt, könnte in dieser hitzigen Debatte leicht durch Nebelkerzen aus verschiedenen Richtungen verschwimmen. Die Beschleunigung bei höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards könnte nämlich sehr wohl gut für die Attraktivität des Standorts Europa sein.